Von der Kunst, neuen Wein in alten Schläuchen zu verkaufen

Rezension von Uwe Topper

(Veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 29/1998)

Das für die Religionsgeschichte wie auch für unserer modernes Wissenschaftsbild wichtige neue Buch von Gunnar Heinsohn hat in unserem Kreis nicht die ihm gebührende Beachtung gefunden. Darum unternehme ich die schwierige Aufgabe, eine kurze Einführung und Kritik vorzulegen; schwierig, weil ich durchaus nicht als objektiver Leser oder von hoher Warte urteilen kann, wie es nötig wäre, sondern weil ich in besonderem Maße mit der Thematik verbunden bin und notgedrungen ein parteiliches Urteil abgeben werde.

Das Hineinlesen in dieses knapp gehaltene, aber höchst anspruchsvolle Buch ist mit Tücken belastet. Einerseits kennen wir Heinsohn durch seine zahlreichen Bücher, Vorträge und kaum zu zählenden Artikel, in denen er unermüdlich ein neues Geschichtsbild aufbaut, das das bisher dagewesene in einer Weise umstürzt, die selbst fortschrittlichen Zeitgenossen schwindelerregend vorkommen muß. Wären wir nicht im Laufe von gut fünfzehn Jahren schrittweise an diese Umstürze herangeführt worden, wir würden das Ergebnis nicht verdauen können. Ich deute einige Schritte an, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Die Venus ein heißer Stern, der brodelt und torkelt (1979 im Freibeuter); die weisen Frauen des Mittelalters als Bevölkerungsbremse und Förderer der Lust (mit Otto Steiger 1987); die Verkürzung der Entwicklung des Menschengeschlechts um Jahrmillionen (1991); die Sinngebung der Ausgrabungen im Orient, vor allem Sumer, Persien, Indien und Armenien, durch Beachtung des stratigraphischen Befundes; eine metaphysische Erklärung für Hitlers Gründe seiner Judenvernichtung (1995); und nun dieser Pfeil in den Mittelpunkt menschlicher Zivilisation: die Erschaffung der Götter durch kosmosgeschädigte Menschen, die ihren Schock über die Unzuverlässigkeit des Himmels mittels Menschenopfern abreagieren mußten und so Priesterschaft und Gesetzesreligion erfanden.

Wie gesagt: ein seit Jahren bekannter Autor mit vieldiskutierten und beachtenswerten neuen Thesen. Hat er es dann nötig, in derartig gewundener und vorsichtiger Sprache darauf hinzuweisen, daß er die bisher gängige Chronologie seiner akademischen Kollegen „nicht durchweg teilt” (S. 71), also für sich reserviert, privatim auch andere Chronologien vorzuschlagen, ansonsten aber die längst überholten Jahresangaben im ganzen Buch durchgehend wiederholt? Da tritt eine gewisse Schizophrenie zutage, die im Gegensatz zu dem sonst so mutigen Einsatz dieses universal begabten Mannes steht! Liegt der Unterschied vielleicht darin, ob ein Buch bei Rowohlt oder bei Mantis erscheint?

Nun muß ein Forscher und Gelehrter natürlich nicht fortlaufend seine alten Thesen wiederholen, er kann auch umdenken. Das ist aber nicht geschehen, oder nur an wenigen Punkten, nicht die Chronologie betreffend. Er entschuldigt sich mit dem Hinweis, daß die Jahreszahlen für das Ziel seiner Beweisführung irrelevant seien. Aber stimmt das denn? Würden wir nicht ganz andere Schlüsse ziehen müssen, wenn wir wüßten, daß seit den ersten Sumerern und ihren Menschenopfern nicht 5000, sondern knapp 3000 Jahre verstrichen sind, wie Heinsohn uns mit geradezu bewundernswerter Schlüssigkeit gezeigt hat? (Was einschließt, daß Abraham und sein versuchtes Menschenopfer eine um mehrere Jahrtausende zurückverlegte Erfindung ist). Und daß auch (S. 70) ein holländisches C14-Datum 2650 BP (vor heute) kaum 2000 Jahre vor dem Jetztpunkt liegen kann, wie er durch Ausschalten antiker „dark-ages“ und in Übernahme von Illigs Mittelalter-Verkürzung selbst nahegelegt hat, ganz zu schweigen von der Unhaltbarkeit der technisch ermittelten Absolut-Daten.

Heinsohn übernimmt nicht nur die überholten, viel zu hohen Jahreszahlen, sondern auch das legendenhafte Metallzeit-Schema, demzufolge die Bronzezeit durch die danach folgende Eisenzeit abgelöst wurde, und hier handelt es sich sogar um einen Kernpunkt seiner Theorie über die Erschaffung der Götter. Rückfall in alte Denkmuster? Oder hat er endlich ein Buch an einen Verlag gebracht, das er vor vielen Jahren schrieb, also Ideen aus seiner eigenen Entwicklung rückblickend archiviert (wie es mir selbst bei meiner Deutung der Offenbarung des Johannes erging, die 1993, nach zwölfjähriger Wartezeit, erschien und natürlich nicht mehr meine neueren Gedanken enthalten kann). Aber nein: Er sagt ausdrücklich, daß sein Buch 1992-97 entstanden sei.

Abgesehen davon, daß er als Professor einer deutschen Universität an exponierter Stelle sicher starkem Druck ausgesetzt ist und deshalb vielleicht Vorsicht walten ließ, ist noch eine tiefer gehende Erklärung möglich, eben die in der Überschrift angedeutete: Es ist eine außerordentlich schwierige Kunst, neue Ideen in der gewohnten Sprache auszudrücken. Gar mancher Philosoph - Heidegger als auffälligstes Beispiel - formte sich seine persönliche Terminologie, um die neuen Gedanken mitzuteilen. Wir kennen das aus unserem Kreis zur Genüge. Wie leicht wird die in vielen Jahren geschaffene neue Ausdrucksweise zur sektiererischen Geheimsprache abgestempelt, etwa wenn Christoph Marx, mit dem Heinsohn schon sehr früh gemeinsam arbeitete, von der herrschenden Lehre als dem PRW-Kombinat spricht (= Gesamtheit der Kollektivdenksysteme der Philosophien, Religionen und Wissenschaften), was bei Horst Friedrich kurz Neo-Scholastik heißen würde und bei einem anderen vielleicht kapitalgebundenes Pseudo-Wissenschaftskartell. Man scheut sich, dergleichen vor großer Öffentlichkeit auszusprechen, was man „unter uns” gerne im Munde führt, denn es geht „um die Idee”, und die wird viel mehr Lesern zugänglich, wenn sie in unverfänglicher Allgemeinsprache vorgetragen wird. Wirklich?


 

Holzschnitt von Lorenz Fries aus „Underweisung und uszlegunge ... ” von1527.

„Die Monster sind die Anderen” - nicht nur diese Darstellung in einem deutschen Buch von 1527, die der Berliner Tagesspiegel (2. Juli 1998, S. 27) als abschreckendes Beispiel für haßverzerrte Propaganda gegen andersartige Kulturen abdruckte, sondern auch die von Heinsohn auf S. 109 abgebildete Darstellung von Menschenopfern bei Anden-Indianern 1723 sind keinesfalls als ethnologisch realistische Beweisstücke zu werten! Die ersten katholischen Berichte über Menschenopfer bei den Azteken strotzen von Widersprüchen und Lügen. Darauf Thesen aufzubauen ist gewagt.


Zusammengefaßt besagt die Idee von Heinsohn bezüglich der Entstehung unserer modernen Religionssysteme, besonders der monotheistischen Religionen: Die Jungsteinzeit endete mit katastrophalen Ereignissen, die durch Himmelskörper ausgelöst wurden und einen großen Teil der Menschheit vernichteten. Die Überlebenden waren aber durch diese Geschehnisse keineswegs klüger geworden, sondern in eine Art Trauma gefallen, aus dem zwei wichtige Neuerungen entstanden: Die Erfindung und Nutzung des Metallgusses, speziell der Bronze, und der Bau von großen Städten mit Tempelanlagen und bezahltem Königspriestertum, das die Menschenopfer zur Besänftigung der aufgebrachten Volksseele leitete. Erst im Verlaufe der mehr als ein Jahrtausend dauernden Beruhigung der Himmelskörper konnten die blutigen Menschenopfer vernachlässigt und durch sublimere Formen ersetzt werden, so daß mit dem Ende der Bronzenutzung ein friedlicherer Zustand eintrat, der den Beginn der Eisenzeit markiert.

Würde Heinsohn seine eigenen Theorien über die Entstehung des Menschengeschlechts und den zeitlichen Ablauf der (orientalischen) Geschichte in das Denkmodell von der Religionsentstehung einsetzen, dann ergäbe sich ein völlig anderes Bild. Wie können denn, fragt man sich, Katastrophen von kosmischem Ausmaß, die Heinsohn mit antiken Texten vorstellt, eine gerade der Steinzeit entwachsene Menschheit, die noch dazu angeblich das Gemüt von Kindern hat (Freud wird ausgiebig herangezogen), zum Bau von Großstädten und Prachttempeln anregen? Müßten wir aus den Katastrophen nicht den gegenteiligen Schluß ziehen und uns in Bergeshöhlen verkriechen, zumal sich ja das ungeordnete Himmelsgeschehen weiterhin abspielte, woraus Heinsohn eben die Notwendigkeit zur längeren Durchführung der blutigen Opfer in den Stadtstaaten von Mesopotamien bis Hellas ableitet (in dem häufig zitierten Mexiko angeblich bis 1522 oder gar 1723).

Wer die alten Texte gerne so wörtlich nimmt wie Velikovsky und ihm folgend Heinsohn, und daraus Planetenszenarien für Venus und Merkur mit weitreichenden Konsequenzen aufbaut, sollte den Text anschauen: Da kommen wirklich Götter im Himmel vor, sie kämpfen auch miteinander, und die Sieger steigen herab und bringen den Menschen Kenntnisse und Gesetze und halten sie zum Bau von großen Städten und Tempeln an. Nicht die Zerstörer, sondern die Sieger sind die verehrten Götter, und sie kehren nach ihrem Erdenbesuch in den Himmel zurück. Wer nur den geophysikalischen Teil der Botschaft auswertet und den Rest als unverstanden beiseiteschiebt, arbeitet genauso halbherzig wie die vorige Wissenschaftlergeneration, die solche Mythen als kindlich unverarbeitete Träume und Fantasien erklärte. Damit habe ich keine Lanze für die Präastronautik gebrochen, sondern nur die Inkonsequenz der Methode aufgezeigt.

Es ist höchst begrüßenswert, wenn ein Physiker, Mathematiker oder Ingenieur eine umfassende Erklärung für die frühgeschichtlichen Texte findet. Oder eigentlich wiederfindet: Sie ist seit eh und je bekannt, nur eben - wie manches Kostbare auf der Welt - nicht immer allen zugänglich gewesen. Heinsohn hat dankenswerterweise einen dieser echten Katastrophisten gefunden und stellt ihn mit vielen Zitaten vor: Nicolas-Antoine Boulanger, einen Deutsch schreibenden Ingenieur und Geologen (1722-59), der inzwischen so vergessen ist wie der Spanisch schreibende Manuel Lacunza, der eine Generation später lebte und von mir seit zwanzig Jahren (erfolglos) wiederbelebt wird. Aber wir müssen nicht so weit zurück gehen; Heinsohn baut einen ganzen Stammbaum der Väter der modernen Katastrophentheorien auf und schafft damit so etwas wie ein Kollegium mit Ehrensitzen (Velikovsky) und Türstehern (Blöss). Man hätte gleich 1947 neu beginnen können, stellt er enthusiastisch fest, aber es dauerte leider noch einmal eine ganze Generation, bis in den späten Siebzigern das neue Denken auch an den Akademien begann, weshalb heute der prinzipielle Streit um den Katastrophismus vielerorts schon ein Gähnen auslöst (S. 57).

Freuen wir uns.

Schaut man sich die neuen Theorien näher an, dann ist es leider nicht weit her damit. Weder astrophysikalisch noch religionsgeschichtlich sind sie haltbar. Da gibt es kuriose Spinner (wie Alexander und Edith Tollmann aus Wien, die den genialen Muck ausgeschlachtet haben) oder vorübergehende Berechnungen angeblich seriöser Astronomen über die Einschlaghäufigkeit von „Impakten”, die sich alle paar Jahre um mehrere Zehnerpotenzen ändern, womit sie der Heiterkeit des Laienpublikums ausgesetzt sind. Zitatfähig sind sie meiner Ansicht nach nicht.

Das ist ein ganz eigenes Problem, wen und was man zitieren darf oder unterlassen muß. Als ich den Einführungsvortrag über die Welteislehre (WEL) anläßlich der Gründung des Berliner Geschichts-Salons (3. - 4. September 1994) hielt, mußte ich zuerst umständlich „abklären”, daß der Schöpfer der WEL, der geniale Ingenieur Hanns Hörbiger, die Gnade des frühen Todes hatte (1931) und auch danach nicht von den Nationalsozialisten mißbraucht worden war, weil der Versuch einer Eingemeindung seiner Ideen in die Stiftung Ahnenerbe 1938 schon nach wenigen Monaten „auf höchste Weisung” abgebrochen worden war. Derart reingewaschen war Hörbiger vortrags- und zitatfähig geworden.

Die Welteislehre war ab 1913 von Millionen Menschen in aller Welt mit großem Eifer diskutiert worden, bis heute gibt es Bücher über das Thema, und es zeigt sich immer mehr, wie richtig Hörbigers umfassende Erklärungstheorie war. Aber Heinsohn nennt nur den Englisch schreibenden WEL-Anhänger Bellamy, der zwar wortreich, aber nicht immer in vollem Durchblick, die Ideen von Hörbiger weiterführte. Traut sich Heinsohn (noch) nicht, den wichtigsten und weitblickendsten Katastrophisten des 20. Jahrhunderts zu erwähnen?

In einem meiner katastrophistischen Vorstöße (Zeitensprünge Nr. 1-1995, S. 59-73) zitiere ich den Ligurerfürsten (nach Ovids Metamorphosen), der „eingedenk des grausam gesendeten Feuers stets noch mißtrauet dem Himmel”, um klarzustellen, daß die mit ungeheurem Aufwand und oft mit Lebensgefahr verbundene Überlieferung der einstigen Katastrophen vor allem als Hinweis auf die zukünftigen Geschehnisse ihre Berechtigung hat. Damals, also vor drei Jahren, hatten es die beiden Herausgeber der Zeitschrift, Illig und Heinsohn, noch für wichtig erachtet, meinem Artikel einen Kommentar folgen zu lassen, in dem sie „klarstellen, daß sie unverändert die Position Velikovskys teilen, derzufolge die apokalyptische Literatur mit ihren zahlreichen Prophezeiungen durchwegs von Traumata herrührt, die die Menschheit in einstigen Katastrophen erlitten hat.” Ein Hinweis auf die Zukunft war noch nicht tragbar.

Dagegen gingen schon Hans-Ulrich Niemitz und Christian Blöss bei der erwähnten ersten Sitzung des Berliner Geschichts-Salons an: „Wie weit dürfen ,Katastrophisten’ in die Zukunft schauen - nicht weiter, als auch in die Vergangenheit?” lautete der Titel ihres ersten Vortrags.

Heute ist der Blick in die Zukunft gesellschaftsfähig, wie Heinsohn deutlich macht (S. 57): Ganze Teams von staatlich bezahlten Wissenschaftlern sind mit Voraussagen über den nächsten Götterkampf beschäftigt. Vielleicht sollte man ihnen Hörbiger als Lektüre unters Kopfkissen legen?

Zurück zum Zentralthema des Buches, das Heinsohn seit Jahren mit unvermindertem Eifer vorträgt: Die Planeten gerieten einst auf Kollisionskurs und verursachten unbeschreibliches Chaos auf der Erde. Von diesem Zeitpunkt an begannen die Menschen, diese Planeten zu vergöttern, das heißt in Menschengestalt darzustellen und mit grausamen Opfern zu verehren.

Das widerspricht allen bisherigen Religionstheorien, die den Vorgang umgekehrt sahen: Die sagenhaften Vorfahren, Begründer der Zivilisation und Gesetzgebung, der Weisheit und Schrift, rückten zu Göttern auf und wurden schließlich so hoch verehrt, daß man ihnen die Wandelsterne zuordnete: dem Zeus den Planeten Jupiter, dem Hermes den Merkur, dem Ares den Mars, der Aphrodite die Venus usw. Diese Zuordnungen gab es nördlich der Alpen nicht, es wäre keinem Deutschen eingefallen, Wotan als Merkur anzusehen oder Freyja mit Venus zu vergleichen. Die Planeten waren ihnen ganz unwichtig. Aber vielleicht gilt das auch für die alten Griechen, die ganz lebendige Sagen von ihren Göttern erzählten, in denen nirgends von Planeten die Rede ist: wie Zeus als Knäblein in der kretischen Höhle geboren und von der Ziege gesäugt wird, wie er seine Ehefrau Hera betrügt, usw. Bei Heinsohn wird Hera = Pallas Athene = Venus. Das schließt sich gegenseitig aus.

Gerne folgt man Heinsohn bei seiner Rehabilitierung der jüdischen Kultur, die durch die antisemitischen Strömungen jahrhundertelang herabgewürdigt worden war. Auch sein Loblied auf Thora und jüdische Propheten weckt Sympathien (Kap. X). Anders steht es mit seiner Deutung des Christentums: Der Apokalyptiker Johannes und der Evangelist gleichen Namens waren nicht dieselbe Person, wie sogar katholische Theologen heute zugeben. Und erst recht kontrovers wird es bei seiner Auslegung des Gilgamesch-Epos: Humbaba, der riesenhafte Wächter des Libanon, der seinen herrlichen Zedernwald erfolglos gegen den gierigen Gilgamesch verteidigt, wird durch Heinsohn zum verderbenbringenden Merkur, der außerdem auch Yahwe und Christus geprägt habe (S. 105). So werden ein ökologisch denkender Altmensch, ein Vulkangott vom Sinai und der Gekreuzigte gleichermaßen zu Planetengöttern, denen grausamste Blutopfer dargebracht wurden (im Falle Jesu sublimiert im Abendmahl). Damit wird die These überstrapaziert.

Der These zuliebe muß Heinsohn verzichten, auf die Kritiker der Überlieferung einzugehen. Es ist nämlich keineswegs gesichert (wie W. Marold in Bremen 1994 im Beisein von Heinsohn vortrug), daß die Azteken jährlich viele tausend Jünglinge abschlachteten, um deren Herz dem Sonnengott darzureichen. Das Fortdauern dieses Kultes über die Jahrtausende nach der letzten Katastrophe bis zur christlichen Eroberung Mexikos muß ohnehin fragwürdig erscheinen. Gerade die indianische Komponente wird von Heinsohn stark in den Vordergrund gestellt. Für die Karthager ist eher erwiesen, daß sie ihre männlichen Erstgeburten verbrannten, aber sie taten es für Moloch, keineswegs für einen aus der Bahn geratenen Planeten. Vielleicht handelte es sich in diesem Stadtstaat auf engstem Raum um eine demographische Maßnahme, wie später noch in Arabien, Indien und China, wo man vornehmlich Mädchen tötete. Die Angst vor einer Wiederholung der Katastrophe könnte logischerweise gerade das Gegenteil bewirken, nämlich einen übermäßigen Drang nach Vermehrung, wie eben jene „kleine Katastrophe”, der Schwarze Tod, von 1348 an, wodurch sämtliche Arten von Kindstötung und Geburtenregelung unter Strafe gestellt wurden, was Heinsohn in einem seiner besten Bücher (1987) zur Hauptaussage gemacht hat.

In den versöhnlich stimmenden Schlußsätzen des neuen Buches über den „bis heute nicht falsifizierten kosmischen Optimismus” der Juden (S. 157) wird eine Angleichung von Juden und Christen anvisiert - durch Aufgabe letzter Opferreste wie Abschaffung der Beschneidung durch die einen und des Abendmahls durch die anderen (S. 168) - und dadurch die Hoffnung geweckt auf ein friedvolleres Zusammenleben in Zukunft.

Literatur

Blöss, Christian (1991): „Planeten, Götter, Katastrophen“ (Frankfurt/M)

Friedrich, Horst (1996): „Einer Neuen Wissenschaft den Weg bahnen!“ (EFODON, Hohenpeißenberg)

Heinsohn, Gunnar (1979): „Die heiße Venus und das akademische Zittern“ (in: Freibeuter, Wagenbach, Berlin); (1981) mit Christoph Marx: „Kollektive Verdrängung und die zwanghafte Wiederholung des Menschenopfers“ (PAF, Basel); (1987) mit Otto Steiger: „Die Vernichtung der weisen Frauen“ (5°, 1992); (1991): „Wie alt ist das Menschengeschlecht?“ (Gräfelfing); (1995): „Warum Auschwitz?“ (Reinbek b. Hamburg)

Hörbiger, Hanns, und Fauth, Philipp (1913/1925): „Glazialkosmogonie“ (Kaiserslautern)

Lacunza, Manuel (1796): „La venida del Mesias en gloria y magestad“ (Isla de Leon, Spanien)

Marold, Winni (1993): „Menschenopfer bei den Azteken?“ (Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart 1-93; Gräfelfing); (1994) „Vereint im starken Glauben? Zu den Spekulationen über Menschenopferkulte“ (Vorzeit-Frühzeit-Gegenwart 2-94; Gräfelfing)

Muck, Otto (1956): „Atlantis, die Welt vor der Sintflut“ (Olten, Schweiz)

Topper, Uwe (1977): „Das Erbe der Giganten“ (Olten, Schweiz); (1993): „Das letzte Buch. Die Bedeutung der Offenbarung des Johannes in unserer Zeit“ (München); (1995): „Eine Polsprungmythe in berberisch-sufischer Überlieferung“  (Zeitensprünge  1-1995,    S. 59-73; Gräfelfing)

 

Gunnar Heinsohn:
„Die Erschaffung der Götter.
Das Opfer als Ursprung der Religion“ (Rowohlt 1997)


[zurück nach oben] [zurück zum EFODON-Archiv]